01.12.2023 - 04.02.2024

To look is an act of choice.
John Berger

Lange Acrylnägel, Peaches, ein *killer* Partnerlook, nachwachsende Achselhaare, Stick-and-Poke-Tattoos, stinkende Aschenbecher und (wie könnte es anders sein?) jede Menge Smartphones: welcome to the pleasure dome!

Katharina Arndt entpuppt sich in dieser Ausstellung als scharfe Beobachterin, die die verschlungenen Netze der modernen Gesellschaft, des urbanen Lebens und ihrer eigenen Identität einfängt—sowohl als Malerin als auch als Berlinerin. Inspiriert von dem Song von Frankie Goes To Hollywood, spielt der Titel der Ausstellung ironisch auf den Zwiespalt dieses Ortes an—eine Stadt, die für ihre hedonistischen Vergnügungen bekannt ist und gleichzeitig ein Nährboden für soziale Ungleichheit und Ausgrenzung. Berlin ist für Arndt nicht nur eine geografische Einheit, sondern ein Kater, eine Orgie, ein Zigarettenstummel. Ihre Arbeit beschäftigt sich mit den sich kontinuierlich verschiebenden Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Raum, eine Verhandlung, die ständig durch den globalen Dialog einer unbestimmten Vielzahl geprägt ist. Der allgegenwärtige Einfluss der sozialen Medien lässt diese Grenzen weiter verschwimmen und schafft eine Gesellschaft, die sich in stetiger Konnektivität befindet.

Im Zentrum von Arndts Arbeiten steht ein Gemälde mit illustrativem Geist, eine unkonventionelle Karte des Görlitzer Parks, die von seinem üblichen menschlichen und nicht-menschlichen Publikum bevölkert wird: Touristen, Bäume, der Kanal, Raver, Hunde, Drogendealer, Mülleimer, Skater. Durch Arndts agilen Pinsel verwandelt sich der Park in eine komplexe Landschaft, die das Facettenreichtum Berlins widerspiegelt—eine Stadt, die Aufmerksamkeit verlangt, Vorurteile hinterfragt und Lust auf mehr macht.

Arndts künstlerischer Blick richtet sich auf die oft übersehenen Erscheinungen des urbanen Lebens. Bierdosen und verdrecktes Stadtmobiliar werden zu zentralen Themen und laden die Betrachter*innen ein, sich mit dem Schutt des Alltags auseinanderzusetzen. In diesen Arbeiten löst sich Arndt von Filtern, Wertzuschreibungen und Bedeutungshierarchien. Eine Hundetüte ist ein ebenso gewichtiger Kommunikator wie ein nuancierter Gesichtsausdruck oder sogar ein tolles Outfit. Das Engagement der Künstlerin, eine ungeschminkte Wahrheit einzufangen, schafft eine visuelle Sprache, die sich besonders in der heutigen Zeit als äußerst notwendig erweist—in den manikürten Echokammern der sozialen Medien, die wir für uns selbst kuratieren, bekommen wir unsere Umgebung selten zu Gesicht. Arndts Gemälde dienen als Portal für die komplexe Beziehung zwischen Identität, gesellschaftlichen Schönheitserwartungen und dem allumfassenden Einfluss der Gegenwart. Mit dem Fokus auf das urbane Leben navigieren ihre Arbeiten durch das Vergängliche, das Kontingente und das Banale und enthüllen die Schichten, die den jetzigen Moment ausmachen.

Die Einbeziehung von Selbstporträts in ihre Arbeiten verleiht Arndts Erzählungen eine zusätzliche, faszinierende Ebene. In me as an artist genießt sie ungeniert eine Zigarette und stellt sie dabei als Objekt der Begierde dar, welches Coolness und Geheimnis ausstrahlt. Die Zigarette wird zum Symbol des Genusses, ein flüchtiger Moment des Vergnügens in der chaotischen Stadtlandschaft. In ihren größeren Gemälden sehen wir jedoch ein widersprüchliches Bild von Arndt, die in sportlicher Kleidung joggt und sich von den unansehnlichen Zigarettenstummeln distanziert, die aus den Mülleimern ragen. Diese Dualität in der Künstlerin selbst spiegelt die Widersprüche in Berlin—das Nebeneinander von hedonistischem Genuss und dem Wunsch nach einem gesünderen, einfacheren Leben.

Auf den ersten Blick mag Arndts künstlerische Perspektive unbeschwert und spielerisch erscheinen. Unter der Oberfläche verbirgt sich jedoch eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der Gesellschaft auf mehreren Ebenen. Im Mittelpunkt von Arndts Erkundungen stehen die Absurdität des täglichen Lebens und die conditio humana, dargestellt durch Figuren, die unermüdlich nach Verbindung und Akzeptanz suchen. Ihre Arbeit geht jedoch über den bloßen Voyeurismus hinaus und erhebt jedes Panel zu einem zeitgenössischen Genre-Werk: ein eingefrorenes Fragment junger, sich entwickelnder Identitäten, die sich im Wechselspiel zwischen digitalen Erwartungen und unvollkommener Realität bewegen.

Die Ausstellung ist im Wesentlichen ein visuelles Tagebuch—eine Kartografie des Alltäglichen. Diese Gemälde sind nicht nur Darstellungen, sondern greifbare Aufzeichnungen der Erfahrungen der Künstlerin und bieten den Betrachter*innen die Möglichkeit, in die Schuhe der Künstlerin zu schlüpfen und die Welt durch ihren Blick zu erleben. Auf diese Weise konstruiert sie eine visuelle Erzählung, die von der Vielfalt und Komplexität der urbanen Landschaft erzählt. Berlin ist eine Stadt, welche die Menschen, die sie bewohnen, gleichzeitig ernährt und herausfordert. Arndts Engagement für Authentizität, ihre Weigerung, Werturteile zu fällen, und ihre Fähigkeit, das Gängige in das Außergewöhnliche zu verwandeln, definieren die Beziehung der Betrachter*innen zu diesem Ort neu. Durch die Hervorhebung des Chaos in unserem Leben lädt Arndt uns ein, unsere eigene Wahrnehmung von Schönheit, Bedeutung und Identität zu überdenken. Die Ausstellung ist ein Zeugnis für die Macht der Kunst, den Geist einer Stadt einzufangen, und ermutigt uns, die Freuden und Gefahren unserer eigenen Reisen zu begrüßen.

 

To look is an act of choice.
-John Berger

Long acrylic nails, Peaches, a *killer* partner look, your arm pit hair starting to grow back, stick-and-poke tattoos, smelly ashtrays and (how could it be otherwise?) plenty of smartphones: welcome to the pleasure dome!

In this exhibition, Katharina Arndt emerges as a keen observer, capturing the intricate networks of modern society, urban life, and her own identity — both as a painter and a Berliner. Inspired by the Frankie goes to Hollywood song, the title of the exhibition ironically alludes to the dichotomy of this place —a city known for its hedonistic pleasures and, simultaneously, a breeding ground for social inequality and ostracism. Berlin, for Arndt, is not merely a geographical entity; it is a hungover, an orgy, a cigarette butt. Her work delves into the ever-shifting boundaries between public and private spaces, a negotiation constantly shaped by the global dialogue of an indistinct multitude. The pervasive influence of social media further blurs these boundaries, creating a society in perpetual connectivity.

At the core of Arndts works lies a central painting with illustrative spirit, an unconventional map of Görlitzer Park populated by its usual human and non-human public – tourists, trees, the canal, ravers, dogs, drug dealers, paper bins, skaters. Through Arndts agile brush, the park transforms into a complex landscape, reflecting the multifaceted nature of Berlin—a city that demands attention, challenges preconceptions, and leaves you yearning for more.

Arndts artistic lens focuses on the often-overlooked facets of urban life. Beer cans and filthy urban furniture become central themes, inviting viewers to confront the detritus of everyday existence. In these works, the artist strips away filters, processes of value-attributing, and hierarchies of meaning. A doggy bag is as significant a communicator as a nuanced facial expression, or even a great outfit. The artists commitment to capturing the unvarnished truth creates a visual language that feels extremely necessary, specially nowadays— in the manicured social media echo chambers that we curate for ourselves we rarely get to see oursurroundings. Arndts paintings serve as a portal to the complex relationship between identity, societal expectations of beauty, and the all-encompassing influence of the contemporary. With a focus on urban life, her works navigate the transient, the contingent, and the banal, unveiling the layers that make up the present moment.

What adds an intriguing layer to Arndts narrative is her inclusion of self-portraiture in her works. In ‘me as an artist’ she unabashedly enjoys a cigarette, presenting it as an object of desire that exudes coolness and mystery. The cigarette becomes a symbol of indulgence, a fleeting moment of pleasure in the chaotic cityscape. Yet, in her bigger paintings, we see a contrasting image of Arndt—jogging, dressed in sporty attire, distancing herself from the unsightly cigarette butts protruding from bins. This duality within the artist herself mirrors the contradictions within Berlin—the juxtaposition of hedonistic enjoyment and the desire for a healthier, more simple existence.

At first glance, Arndts artistic perspective may appear light-hearted and playful. However, beneath the surface lies a profound engagement with society at multiple levels. Central to Arndts exploration is the absurdity of daily life and the human condition, portrayed through characters engaged in a relentless pursuit of connection and acceptance. However, her work transcends mere voyeurism, elevating each panel to a contemporary genre piece—a frozen fragment of young, evolving identities navigating the interplay between digital expectations and imperfect reality.

The exhibition, in essence, is a visual diary—a cartography of the mundane. These paintings are not just representations but tangible records of the artists experiences, offering viewers a chance to step into the artists shoes and witness the world through her gaze. In doing so, she constructs a visual narrative that speaks to the diversity and complexity of the urban landscape. As viewers navigate the exhibition, they are confronted with the duality inherent in Berlins identity—a city that simultaneously nurtures and challenges those who inhabit it. Arndts commitment to authenticity, her refusal to impose value judgments, and her ability to transform the mundane into the extraordinary redefine the viewers relationship with this place. In embracing the chaos of in our lives, Arndt invites us to reconsider our own perceptions of beauty, meaning, and identity. The exhibition serves as a testament to the power of art to capture the spirit of a city and, in doing so, encourages us to welcome the pleasures and perils of our own journeys.

Text by Lorena Juan

Katharina Arndts Werk auf dem Cover des art-Magazins (August, 2023)

WERKLISTE

OPENING
30.11.2023
19:00 to 22:00
The opening is public.

EXHIBITION
Duration:
01.12.2023 – 04.02.2024

VISITING

by appointment

 

Newsletter